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Jahreszeit, Tageszeit und Wetter optimal einsetzen in der Architekturfotografie

Geschrieben von Regine Giesecke am .

Tolle Fotos gelingen den meisten spontan, wenn sie zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Aber wie kann man so etwas planen und diese Situation in einem vorgegebenen Zeitrahmen «herbeizaubern»?

In diesem Beitrag geht’s um Tipps und Tricks rund um die Themen:

  1. Jahreszeit und Sonnenstand
  2. Tageszeit und Wetter
  3. Checkliste: Aussenaufnahmen richtig planen

Jahreszeit und Sonnenstand

Architekten, die ein Gebäude geplant haben und jeden Tag vor Ort auf der Baustelle sind, wissen ziemlich genau, um wie viel Uhr die ersten Sonnenstrahlen welchen Bereich des Gebäudes erhellen und um welche Zeit die blaue Stunde ihr Gebäude in ein mystisches Abendlicht tauchen wird. Kennt man das Bauwerk noch nicht, dann kann man bereits von zu Hause aus einiges planen. Man kann dank einer App im Vorfeld genau sehen, wo die Sonne auf- und untergehen, in welchem Winkel sie zu welcher Uhrzeit auf das Bauwerk scheinen und sogar wie lang der Schattenwurf sein wird. Dies kann für Fassaden mit Vorsprüngen und Nischen wichtig sein. Die App heisst »The Photographers Ephemeris«,
Mit dieser App lässt sich genau sehen, wie die Sonne im Laufe des Jahres ihren Winkel verändert und in welcher Höhe sie in welchem Monat auf das Wunschobjekt scheinen wird.
In der Fotografie mit natürlichem Tageslicht verhält es sich genau wie damals zur Schulzeit am Modell, als mit Globus und Taschenlampe der Sonnenstand demonstriert wurde:

Im Winter ergeben sich durch den niedrigen Sonnenstand eher längere Schatten, und die Zeiten mit gutem Tageslicht bewegen sich zwischen ungefähr 9.00 Uhr und 16.00 Uhr. Die Bäume sind überwiegend laubfrei und geben den Blick eher auf die Gebäude frei. Ausserdem gefallen mir persönlich die feinen Äste der Baumkronen sehr, auch im Kontrast zu der oft geradlinigen Architektur.

Auch kann man bei Neuschnee Aussenaufnahmen von frisch gebauten Gebäuden machen, deren Umgebung ohne Schnee einem umgepflügten Acker ähneln würde. Mit Neuschnee kann eine Umgebung einen wunderschönen neutralen Rahmen für z.B. recht farbige Gebäude geben.

Eine herausfordernde Zeit für neutrale Aussenaufnahmen, beginnt Ende November mit dem Installieren der Weihnachtsbeleuchtung und endet Anfang Januar, wenn die letzten Weihnachtsbäume an den Strassen zur Abholung bereit liegen. Der zunehmende Weihnachtsdekowahn ist nur noch zu toppen durch Geburtstafeln in Vorgärten und an Balkonbrüstungen. Die haben den Nachteil, ganzjährig und zeitlich unberechenbar errichtet zu werden.

Die Wintermonate eignen sich sehr gut, um belebte, illuminierte Geschäftsgebäude in der Abend-, oder Morgendämmerung zu fotografieren, weil die Dämmerung zu üblichen Bürozeiten stattfindet.

Im Frühling steigt der Sonnenstand langsam wieder mit zunehmend längeren Tagen. Der Zeitpunkt, wenn Bäume und Sträucher erste grüne Knospen austreiben, ist auch sehr gut geeignet für Aussenaufnahmen. Mit etwas frischem Grün, aber das Geäst noch durchlässig und transparent.

Im Sommer hat man lange Tageslicht und oft tiefblauen Himmel und viel Grün. Die intensiven Farben und starken Kontraste passen nicht zu jedem Gebäude. Dafür gibt es dann gute Möglichkeiten in der digitalen Bildbearbeitung, das Motiv anzupassen. Wenn Schönwetterwolken einen blauen Himmel beleben, dann kann der Architekturfotograf in kurzer Zeit Belichtungsserien vom Gebäude erstellen, von bewölkt ohne Schatten bis zu sonnig mit Schatten. Obwohl dann das Gebäude kurzfristig im Wolkenschatten liegt, erscheint auf der Fotografie der Himmel freundlich, mit blauen Bereichen und in den Glasfronten des Gebäudes ergeben sich schöne Reflexionen. Dass bei Mittagssonne und hohem Sonnenstand kein gutes Licht zum Fotografieren sein solle, kann ich nicht bestätigen. Die Sommerzeit ist aber auch, zumindest bisher, eine regenreiche Zeit. Das erschwert manchmal die Planungen für Aussenaufnahmen, weil es auch nach kurzen Regenschauern eine Weile dauert, bis der Boden wieder trocken ist. Andernfalls hat man dunkle Flecken und Pfützen auf Asphalt, Gehwegen, Terrassen und Balkonen.

Im Herbst ergeben sich wieder wunderschöne Situationen mit zunehmend transparenter werdenden Laubgewächsen. Im Herbst tritt häufiger Nebel auf. Auch der kann, je nach Höhe der Nebelschicht und nach Dichte, sehr schöne Lichtstimmungen ergeben – erst recht, wenn er sich durch Sonneneinstrahlung langsam auflöst.

Tageszeit und Wetter

Nachdem die Lage und Umgebung des Bauwerks geklärt und die Jahreszeit für die Architekturaufnahmen definiert ist, geht es um die Tagesplanung und die Wetterprognose.

Für jede Ansicht eines Gebäudes gibt es einen perfekten Zeitpunkt, an dem das Licht die Besonderheit der Architektur, die Materialien und Oberflächen optimal zur Geltung bringt. Das gilt natürlich auch für Innenräume. Ich empfehle, nach einem Test zu entscheiden, ob das Gebäude eher bei diffusem Licht, also Bewölkung, oder direktem Sonnenlicht fotografiert werden soll. Entscheidungshilfe kann auch die Umgebung des Gebäudes liefern, wenn bei Sonne störende Schattenwürfe auf das Gebäude fallen würden.
Die dann natürlich mit Retuschen entfernt werden könnten.Entscheidend kann auch sein, wie die Fassade je nach Wettersituation wirkt.

Hier ein Beispiel:

Grundsätzlich wirkt eine Serie von Architekturaufnahmen des selben Gebäudes harmonischer, wenn sie bei gleicher Wettersituation fotografiert wird.

Zum Thema Schatten finde ich diese kleine Serie noch interessant:

Die vier Fotografien von links nach rechts wurden im März, am Morgen, zwischen 9.00 Uhr und 10.30 Uhr fotografiert.

Motiv 1: Start Tag 1 um 10.30 Uhr. Diagnose: Zu viel Schatten, da gehe ich doch am Folgetag nochmal früher hin, sobald die Sonne überm Berg ist und auf das Gelände scheint.

Motiv 2: Tag 2 um 9.00 Uhr. Diagnose: Zu dieser Jahreszeit wird man die graue Halle nicht ohne Schatten fotografieren können. Durch den niedrigen Sonnenstand um 9.00 Uhr ergeben sich sehr lange Schatten. Der senkrechte Schattenverlauf an der Fassade passt nicht so gut zu der grauen Halle wie der schräge vom Vortag. Schön ist aber der sonnenbeschienene
Baum im Vordergrund.

Motiv 3: Tag 3 um 10.05 Uhr. Super Wetter mit lockerer Bewölkung, um auch mal ohne Schattenwurf die Situation zu fotografieren. Diagnose: Ohne Schatten ist mir das Motiv zu flach und leblos.

Motiv 4: Tag 3 um 10.13 Uhr. Diagnose: Zufriedenstellender Schattenwurf, der fast parallel zur Schräge des Shedhallendachs ist und zwischen den beiden Lüftungsgittern verläuft. Die Sonnenschirme sind mit Sonne beschienen.

Neben der Helligkeit ändert sich auch die Farbtemperatur im Laufe eines Tages. Tagsüber ist das Tageslicht bläulich dominiert. Auch Schattenbereiche sind bläulich. Am Morgen und am Nachmittag ist das Tageslicht etwas wärmer, d.h. mit mehr Rotanteil. Während der Dämmerung fällt das Sonnenlicht sehr schräg auf die Erde, wodurch es einen längeren Weg zurücklegt und eine breitere Streuung hat. Die Ozonschicht filtert den warmroten Anteil des Tageslichts und dadurch färbt sich das Licht blau. Wir sprechen von der „blauen Stunde“.

In der digitalen Bildbearbeitung und mittels Weissabgleich lässt sich wunderbar die Stimmung so korrigieren, wie es das menschliche Auge gesehen hat oder wie der Fotograf es passend für das Motiv empfindet.
Im Idealfall kann man die gewünschte Wettersituation abwarten – und noch idealer fotografiert man den gleichen Raum zu verschiedenen Lichtstimmungen und erhält dann eine Auswahl, aus der die beste Lichtsituation für das jeweilige Motiv gefunden werden kann.

Aussenaufnahmen vorbereiten

Aussenaufnahmen von Bürogebäuden, oder Mehrfamilienhäusern zu planen, ist mit grösserem Aufwand verbunden. Und nicht alles lässt sich planen. Also muss man mit dem Unvorhersehbaren umgehen. Und notfalls ein Shooting wiederholen. Hier die wichtigsten Tipps und am Ende eine To-do-Liste mit 8 wichtigen Punkten.

Die Lage und Umgebung des Bauwerks ist geprüft und das geeignete Wetter und die optimalen Tageszeiten sind herausgefunden. Die Wetterprognose zwei Tage im Voraus zur Planung des Shooting-Termins zu konsultieren, kommt meistens gut.

Bei einem Bürogebäude benötigt man die Unterstützung des Haustechnikers, oder Elektrikers, der sich mit den Licht- und Sonnenschutzsystemen auskennt. Gemeinsam kann man die Uhrzeiten definieren, zu denen Licht und Storen gezielt eingestellt werden können.

Bei einem vermieteten Gebäude kann die Hausverwaltung, Hauswartung oder das Architekturbüro ein Schreiben an die Mieter formulieren, das sie motiviert, für eine gelungene Aussenaufnahme zu kooperieren.

Das Schreiben kann gleich mehrere Bereiche betreffen und darum bitten:

  • Storen oder Fensterläden zu bestimmten Uhrzeiten zu öffnen
  • Aussenbereiche kurzfristig von Wasserschlauch, Grill, Rasenmäher, Fahrrädern, Bobby Cars und Wäscheleinen zu befreien.
  • Balkonbrüstungen kurzfristig von Handtüchern, Teppichen, Fahnen und Ähnlichem zu befreien.

Auch wenn nie alle mitmachen und einige dann extra alles verriegeln, so hat man wenigstens das Mögliche zu optimieren versucht.

Checkliste für Aussenaufnahmen am Shootingtag

  1. Storen und Fensterläden öffnen
  2. Keine störenden Gegenstände direkt am Gebäude
  3. Sind Arbeiten an der Fassade geplant?
  4. Sind Fensterreinigung oder Gartenarbeiten geplant?
  5. Ist ein Umzug geplant?
  6. Wird eine grössere Lieferung erwartet?
  7. Sind Strassenarbeiten rund um das Gebäude geplant?
  8. Tag auf geplante Müllabfuhr oder Altpapiersammlung checken.
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